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Wer sich bei allen beliebt machen will, wird schnell beliebig.
Wer sich bei allen beliebt machen will, wird schnell beliebig.
Seit fast 10 Jahre fahre ich jetzt Motorrad, zwischen 10.000 und 20.000 Kilometer im Jahr und bisher stand ich dem Thema Fahrassistenzsysteme immer sehr skeptisch gegenüber. Dafür hab ich mir das eine oder andere Argument zurechtgelegt. Beispielsweise war und bin ich der Auffassung, wer ein Motorrad ohne Assistenzsystem nicht im Griff hat, sollte es vielleicht einfach eine Nummer kleiner versuchen. In erster Linie war ich aber mit den Assistenzsystemen nie wirklich zufrieden. Das ABS hat entweder viel zu früh geregelt, oder auf sehr unangenehme weise. Die ersten Antiblockiersysteme waren ein einziges „rum Geruckel“, das ABS kannte nur den Zustand „auf“ oder „zu“. Man hatte stellenweise beim Einregeln des ABS das Gefühl einen Presslufthammer in der Hand zu halten anstelle eines Lenkers. Was dazu führte, dass ein ABS Eingriff enorme Unruhe ins Fahrwerk brachte. Im weiteren konnten die Antiblockiersysteme, die ich bis vor kurzen testen konnte, noch nicht auf Schräglagen oder sich vom Asphalt hebende Hinterräder („Stoppie“) reagieren. Im Wesentlichen konnten frühe Antiblockiersysteme nur registrieren, ob das Rad blockierte und mit abrupten öffnen der Bremse reagieren, von echter Assistenz konnte also kaum die Rede sein.
Traktionskontrollen hingegen funktionierten eigentlich schon früh ausreichend gut, im schlimmsten Fall regelten sie zu früh, was zwar störend war, aber zumindest der Fahrsicherheit nicht abträglich ist. Ich war allerdings lange der Auffassung das, wer auf Traktionskontrollen angewiesen ist, schlicht auf einem für sein fahrerisches Können zu Leistungsstarken Motorrad sitzt.
Nun ist mir vor kurzen mein Motorrad (eine 2006er ZX10R) durch einen Motorschaden verreckt, da muss natürlich Ersatz her. Ohne Motorradfahren fehlt mir einfach etwas, das ist für mich ein wichtiger Ausgleich zu meiner Arbeit. Das Erste was ich gemacht habe war den Gebrauchtmarkt zu prüfen. Wenig überraschend war das aber nicht von Erfolg gekrönt. Wenn man während der Motorradsaison ein gebrauchtes Motorrad erstehen will, muss man damit rechnen mehr bezahlen zu müssen, als das Motorrad wert ist. Für einen Supersportler der vergangenen 5 Jahre, mit nicht mehr als 20.000 km auf der Uhr, hätte ich auf jeden Fall mindestens 10.000 € bezahlen müssen. 10.000 € für ein gebrauchtes Motorrad bin ich aber nicht bereit zu zahlen. Ein gebrauchtes Motorrad mit nicht mehr als 20.000 km auf der Uhr und unter 10.000 € hätte ich nur erstehen können, wenn ich bereit gewesen wäre, eine Maschine zu kaufen, die älter ist als 5 Jahre. Ein Motorrad, das älter als 5 Jahre ist, bin ich aber auch wiederum nicht bereit zu kaufen. Die einzige Option war also der Neukauf.
Da ich mit Leib und Seele Supersportler und Kawasaki Fahrer bin, standen die verschiedenen Ninja mit 1000 c³ ganz oben auf meiner Liste. Kawasaki baut einfach Motorräder, die hervorragend zu mir passen. Das fängt bei der Sitzhöhe an, geht mit den Fußrasten weiter und hört bei den Lenkerstummeln noch nicht auf, als würden die Kawasaki Ingenieure an mir Maß nehmen. Darüber hinaus sind Kawasaki Supersportler technisch schlicht immer auf der Höhe der Zeit und bieten ein anständiges Preisleistungsverhältnis. Einzig die Bremsanlagen der Serienmaschinen (zumindest was Supersportler angeht) war einigen der Konkurrenten häufig unterlegen, was mich aber nie gestört hat.
Für Ende April machte ich dann einen Termin für eine Probefahrt, auf der für das Jahr 2016 neu aufgelegten Ninja ZX10R¹ und Ninja H2².
Der erste Eindruck der neuen ZX10R könnte nicht besser sein. Der frühere Makel in der Optik der ZX10R, der schultütenartige Endtopf, wurde beseitigt und durch einen deutlich ansehnlicheren Endtopf ersetzt. Auch sonst hat sich einiges an der Optik der ZX10R getan, insbesondere an der Kanzel. Das bekannte Design aus der Serie von 2011 bis 2015 wurde dabei fortgesetzt und verbessert. Beim ersten Platznehmen auf der neuen 1000er Ninja merkte ich zwei Dinge gegenüber meiner alten ZX10R sofort, erstens es ist immer noch eine Ninja und zweitens die Sitzposition ist einen zacken sportlicher geworden. Ich fühlte mich auf der neuen Maschine direkt wohl und zu Hause, also nichts wie raus mit der Maschine aus dem Showroom meines bevorzugten Kawasaki Händlers in Weiterstadt³ und auf die Landstraße.
In den unteren Drehzahlbereichen verhält sich die neue ZX10R absolut zahm und berechenbar, wenn man es mal beschaulicher angehen lassen will, kann man dieses Motorrad völlig entspannt untertourig rollen lassen. In den oberen Drehzahlbereichen hingegen steckt der nackte Wahnsinn, über 200 PS und jedes Einzelne davon will nach vorne ziehen. Bei 7500 U/min im ersten Gang genügt ein beherzter griff am Gaszug und die ZX10R stellt sich aufs Hinterrad. Doch wo viel Leistung ist, da muss es auch einen mächtigen Anker geben. In Sachen Bremsanlage setzt Kawasaki neue Maßstäbe bei Serien Supersportlern, eine Vierkolben Brembo Bremsanlage am Vorderrad die in semischwimmend gelagerte 330 mm Doppel-Bremsscheiben greifen sorgen für eine enorme Verzögerungsleistung bei nie da gewesener Präzision. Elektronisch wird die Brembo Bremse von einem auf dem „Bosch Kurven ABS“ basierenden ABS unterstützt, das von Kawasaki weiterentwickelt wurde und zweifelsfrei zu den besten Antiblockiersystemen gehört, die man an Motorrädern finden kann. Das häufig kritisierte Thema Bremsanlage bei den ZX10Rs dürfte damit endgültig vom Tisch sein.
Auf der Probefahrt hat sich leider nicht die Gelegenheit ergeben die Maschine in Sachen Top Speed voll auszufahren, die Höchstgeschwindigkeit die ich Erreichte lag verkehrsbedingt bei 240 km/h. Was ich aber in jedem Fall dazu sagen kann, ist das die neue ZX10R bis 240 km/h extrem stabil ist und das Windschild den Helm perfekt anströmt (zumindest bei meiner Größe von 1,78), wesentlich besser als meine alte 2006 ZX10R. Außerdem macht der bei Kawasaki neue Quick Shifter bei Hochgeschwindigkeitsfahrten einen Riesen Spaß, es fühlt sich beinahe so an, als ob man unterbrechungsfrei durch die Gänge durch beschleunigt.
Nach der zügigen Anfahrt mit zumindest ansatzweiser Hochgeschwindigkeitsfahrt ging es dann in die ersten Kurven und hier konnte das Motorrad dann mal wirklich zeigen, was es kann. Die leicht sportlichere Sitzposition in Kombination mit einer dezent veränderten Fahrwerksgeometrie, hin zum Lenkkopf, macht diese Maschine unglaublich wendig und agil. Die Brembo Bremsanlage samt Kurven ABS ermöglicht es auch Amateuren sicher bis in Kurvenscheitelpunkte zu verzögern und dank einer in 5 Stufen einstellbaren Traktionskontrolle sicher mit ordentlich Dampf wieder heraus zu beschleunigen.
Während der Probefahrt hatte ich die Traktionskontrolle auf Stufe 4 von 5 (viert höchste), damit wird im Grunde jeder Schlupf unterbunden, was für eine Probefahrt auf einem Fahrzeug, das man noch nicht in und auswendig kennt, genau richtig ist, aber die niedrigeren Stufen bieten natürlich noch wesentlich mehr potenzial.
Darüber hinaus bietet die neue ZX10R eine „Engine break control“, damit lässt sich die Motorbremswirkung einstellen und eine „Launch Control“. Die „Engine break control“ habe ich nur kurz angetestet und die „Launch Control“ gar nicht, so richtig kann ich dazu also noch nicht sagen.
Eines blieb bisher noch unerwähnt, das ist das neue Fahrwerk. Insbesondere die neue Gabel mit dem Gasdruck Ausgleichsbehältern funktioniert extrem gut. Der Sinn der Gasdruck Ausgleichsbehälter ist, dass durch die Gaskartusche das Gabelöl unter druck gesetzt wird, welches sich dann bei schnellen ein und ausfedern nicht mehr aufschäumt. Gerade auf Landstraßen mit nicht immer ganz perfekten Asphalt funktioniert das tadellos.
Die Probefahrt verging wie im Flug, nach ca. einer Stunde war ich schon wieder beim Händler und es war klar die neue ZX10R wird es werden, die H2 habe ich dann gar nicht mehr Probe gefahren. Die H2 ist zwar technisch mit ihrem Turbolader das interessantere Motorrad, aber mehr spaß als auf der ZX10R werde ich damit keinesfalls haben. Es macht also aus meiner Sicht keinen Sinn dafür zusätzliche 8000 € zu bezahlen. Vielleicht ergibt sich ja bei einem Werkstattbesuch zur Inspektion die Gelegenheit die H2 zu testen.
Das Ende vom Lied ist, noch am selben Tag an dem ich die neue ZX10R probe fuhr, habe ich auch gleich eine bestellt.
¹) Ninja ZX10R
²) Ninja H2
³) http://www.kawasaki-weiterstadt.de
Quelle Bildmaterial: http://www.kawasaki.de